Wie Lionel Sanders 2018 den Ironman Hawaii gewinnen kann
Jakob Ohlsen Veröffentlicht: 03. Januar 2018
Während sich einige Athleten im Vorfeld des Ironman Hawaii sehr bedeckt hielten, las man von Lionel Sanders Tag für Tag neue Kampfansagen in den sozialen Netzwerken. Seine Lebensgeschichte, die von der Drogensucht und dem Kampf dagegen bis zur Rolle als Sieganwärter des Ironman Hawaii führt, ist beeindruckend und zugleich berührend. Sie macht den 29 jährigen Kanadier zu einer besonderen Figur im Triathlonsport. Bei den Ironman Weltmeisterschaften 2017 ließ Sanders seinen Worten dann Taten folgen. Nur der Deutsche Patrick Lange konnte Sanders wenige Kilometer vor dem Ziel abfangen und verwies den Kanadier auf den zweiten Platz. Wenige Tage nach dem Rennen veröffentlichte Sanders ein Bild von seinem Laufband. Davor hatte er ein Foto aufgehängt, auf dem der Moment zu sehen ist, in dem er von Patrick Lange überholt wird. Lionel Sanders Motivation scheint also ungebrochen und so möchte ich im Folgenden beleuchten, ob und wie ihm im nächsten Rennen der Sprung auf den ersten Platz gelingen kann.
So besonders wie seine Geschichte, sind auch die Trainingsmethoden des Hawaii-Zweiten. Sanders gilt als großer Fan des Indoor-Trainings und nennt neben seiner Rolle und einem Laufband auch einen Endless-Pool sein Eigen. Er absolviert einen Großteil seines Trainings mit diesen Geräten. Sie ermöglichen eine präzise Steuerung der Trainingsintensitäten, während er sich zugleich auch auf technische Aspekte des Trainings zu konzentrieren kann. So muss Sanders beim Frequenztraining auf der Rolle keine Rücksicht auf Streckengegebenheiten oder Verkehr nehmen. Im Pool kann er sich dank eines am Boden des Beckens angebrachten Spiegels beim Schwimmen selbst betrachten und dementsprechend korrigieren. Nur knapp einen Monat nach dem Ironman auf Hawaii überraschte Sanders beim Ironman Arizona mit einer sehr guten Schwimmleistung. Sanders führt seine Fortschritte im Wasser vor allem auf die ständige Selbstkontrolle im Endless-Pool zurück (Blog zum IM Arizona). Neben diesen Vorzügen macht das Indoor Training unabhängig von ungewünschten wetterbedingten Änderungen des Trainingsplans. Sanders ging sogar einen Schritt weiter und nutzte Heizlüfter und Sauna, um sich auf die klimatischen Bedingungen beim Ironman Hawaii vorzubereiten.
Sollte sich nun also jeder Triathlon Profi ein Trainingszentrum in den eigenen vier Wänden zulegen?
Natürlich schadet es nicht entsprechende Ausweichmöglichkeiten zu haben, wenn es draußen mal wieder den ganzen Tag regnet. Ein eigener Pool erspart den Weg zum Schwimmbad, so kann die Regenerationszeit besser genutzt werden und auch kurze Rekompensations-Schwimmeinheiten sind ohne großen Aufwand möglich. Beim Indoor-Training, wie Sanders es praktiziert ist der Athlet oft ganz auf sich alleine gestellt. Das hat den Vorteil, dass er sich bei ruhigen Einheiten von niemandem mitreißen lässt und im Training mehr auf den eigenen Körper hören kann. Auf der anderen Seite sind es oft die Trainingspartner, die einen Sportler zu Spitzenleistungen anstacheln und ihm bei besonders harten Einheiten dabei helfen noch ein bisschen härter zu trainieren.
Auch auf dem Rad können Fähigkeiten rennentscheidend sein, die man auf der Rolle nicht trainieren kann. Betrachtet man Sanders Leistungen auf anspruchsvollen Radkursen, so werden seine technischen Defizite beim Radfahren schnell deutlich. Als er im Jahr 2016 beim Ironman 70.3 Wiesbaden startete, musste er seine Konkurrenz in den Abfahrten wieder und wieder ziehen lassen (Blog zum IM 70.3 Wiesbaden). Beim Ironman Hawaii 2017 konnten Sebastian Kienle und Cameron Wurf ihre Abfahrtskünste nutzen, um auf dem Rückweg von Hawi gemeinsam eine Lücke von etwa 46 Sekunden gegenüber Sanders aufgehen zu lassen. Auf dem Rückweg nach Kona konnte Sanders die Lücke zwar wieder schließen und lag beim zweiten Wechsel sogar eine halbe Minute vor Kienle, doch diese Aufholjagd hatte ihn Kraft gekostet. Er konnte auf einem großen Teil der Strecke nicht vom Fahren "in der Gruppe" profitieren. Natürlich kann man sich fragen, ob es Sebastian Kienle auch ohne die Abfahrt von Hawi (die nicht besonders anspruchsvoll ist) gelungen wäre eine erfolgreiche Attacke gegen Sanders zu lancieren. Sicher ist, dass die Abfahrt es Kienle einfacher gemacht hat dem Kanadier zumindest kurzfristig zu enteilen.
Verbessert Sanders seine Qualitäten als Abfahrer bis zum Ironman Hawaii 2018, so könnte es ihm in der beschriebenen Situation leichter fallen den Kontakt zu seinen direkten Kontrahenten zu halten.
Eine noch schnellere Fahrrad/Fahrer Kombination
Ich gebe zu, dass ich in diesem Absatz ein paar Mutmaßungen anstelle, die ich nicht eindeutig belegen kann, gerne lasse ich mich hier eines Besseren belehren: Lionel Sanders Sitzposition sieht auf den ersten Blick gut aus und sein Fahrrad wurde fast ausschließlich mit High-End Anbauteilen aufgebaut. Hier arbeitet eine Shimano DuraAce Di2 Schaltung zusammen mit Ceramic-Speed Komponenten und treibt so die beiden HED Jet 9 Laufräder über den Asphalt. Der Rahmen des Garneau Genix TR1 gehört zwar nicht zur allerneusten Generation der Triathlonräder, ist aber bereits mit integrierten Bremsen ausgestattet und wurde von Sanders um eine Drag2Zero-Box erweitert, in der er Ersatzmaterial oder Verpflegung mitführen kann. Es gibt mit Sicherheit schnellere Rahmen und bessere Cockpit/Trinklösungen, Sanders Ausrüstung wirkt aber dennoch sehr gut durchdacht. Bei meiner Recherche zu Sanders Rad und seiner Sitzposition konnte ich allerdings nur sehr wenig über Windkanal-Tests oder Bike Fittings finden (ein Fitting + Tests auf der Radrennbahn im März 2016). Von vielen anderen Top-Athleten sieht man regelmäßig Videos von Windtunneltests und auch bei der Entwicklung ihres Materials können diese Athleten oft selbst entscheidend mitwirken. Ich könnte mir vorstellen, dass Sanders seine Möglichkeiten bei Position und Material noch nicht ganz ausgeschöpft hat. Er hat für 2018 Windkanaltests geplant, bei denen er sicherlich noch einige Verbesserungen gegenüber seinem derzeitigen Setup vornehmen wird.
Den Wettergott bestechen
Patrick Lange konnte den Streckenrekord beim Ironman 2017 auch deshalb unterbieten, weil die äußeren Bedingungen ein schnelles Rennen erlaubten. Die Winde für welche die Radstrecke sonst so berüchtigt ist, waren in diesem Jahr weitaus weniger stürmisch und sorgten so für schnelle Radzeiten. Was viele Athleten gefreut hat, wird für Lionel Sanders ein Ärgernis gewesen sein. Starke Radfahrer wie er oder Sebastian Kienle profitieren in der Regel von windigen Bedingungen und können gegenüber den schnellen Läufern wie Patrick Lange so noch etwas mehr Zeit gutmachen. Sanders muss also auf einen möglichst windigen Raceday hoffen.
Zu guter Letzt: Das Bild von Patrick Lange vor seinem Laufband solltest er auf jeden Fall hängen lassen.